202204.18
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Therapie statt Strafe! Strafzurückstellung gemäß § 35 BtMG

Zuerst ist darauf hinzuweisen, dass das primäre Ziel einer Strafverteidigung, die diesen Namen tatsächlich verdient, immer lauten muss einen Freispruch zu erzielen. Sollte dieses Ziel aber nicht erreicht werden können, ist es oft sinnvoll, dass man die Voraussetzungen dafür geschaffen hat, dass der Gefängnisaufenthalt durch eine Therapiemaßnahme abgewendet werden kann.

Eine der wichtigsten Vorschriften hierbei ist die Strafzurückstellung gemäß § 35 BtMG.

Die Möglichkeit einer Zurückstellung der Strafvollstreckung zugunsten der Absolvierung einer Therapie ist an mehrere materielle und formelle Voraussetzungen gebunden.

Diese sind insbesonders:

Es muss eine Rechtskräftige Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder ein zu verbüßender Strafrest von nicht mehr als zwei Jahren vorliegen. Es ist dabei keinesfalls erforderlich, dass es sich um eine Verurteilung aufgrund des Betäubungsmittelgesetzes handelt. Der „Klassiker“ hierbei ist eine Verurteilung wegen eines Vermögensdeliktes (Diebstahl, Betrug, Unterschlagung geschlafen etc.).

Das Vorliegen einer Betäubungsmittelabhängigkeit zur Tatzeit UND zum Zeitpunkt der Antragstellung muss gegeben sein.

Weiterhin muss eine Kausalität zwischen Straftat und Betäubungsmittelabhängigkeit festgestellt werden. Erfahrungsgemäß tun sich Gerichte beispielsweise bei Körperverletzungsdelikten schwer damit eine solche Kausalität festzustellen. Dies ist aber rechtlich durchaus möglich und eine Verteidigung sollte auf diese Feststellung gegebenenfalls effektiv hinwirken.

Der Verurteilte muss nicht nur therapitbedürftig, sondern auch therapiewillig sein.

Ganz wichtig ist nun, dass diese Feststellungen von dem Gericht erster Instanz getroffen werden. Dies erfordert ein richtiges Vorgehen im Rahmen der Hauptverhandlung in erster Instanz und nicht erst in der Rechtsmittelinstanz.

Sofern diese Voraussetzungen vorliegen, ist nunmehr eine Therapieplatzzusage und eine Kostendeckungszusage des zuständigen Kostenträgers einzuholen.

All diese Voraussetzungen bedürfen richtiges Vorgehen im Rahmen der Hauptverhandlung und im Nachhinein im Rahmen der Strafvollstreckung. Da zu dem, wie oben bereits angeführt, eine Zurückstellung gemäß § 35 BTtMG nur bei der Vollstreckung einer (Rest-)Freiheitsstrafe von zwei Jahren möglich ist, muss im Vorfeld bereits erörtert werden, ob es nicht sinnvoller ist auf eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hinzuwirken. Da es umgekehrt aber bei einer geringen Freiheitsstrafe meistens keinen Sinn macht auf die Unterbringung in der Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB hinzuwirken und diesbezüglich die Voraussetzungen zu schaffen, bedarf es der Expertise und Einschätzung des Vorgehens eines erfahrenen Strafverteidigers, um die richtigen Maßnahmen rechtzeitig einzuleiten und gerichtlich durchzusetzen.

Kontaktieren Sie daher Rechtsanwalt Dr. Kaiser, damit alle Maßnahmen getroffen werden, damit im Falle einer Verurteilung eine Gefängnisstrafe abgewandt oder minimalisiert werden kann.

Hier zum Abschluss die vollständige Vorschrift:

Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz – BtMG)
§ 35 Zurückstellung der Strafvollstreckung

(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.
(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.
(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn

1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder
2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt

und im übrigen die Voraussetzungen des Absatzes 1 für den ihrer Bedeutung nach überwiegenden Teil der abgeurteilten Straftaten erfüllt sind.

(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.
(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.
(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn

1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder
2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.
(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.

(Fundstelle: Bundesministerium der Justiz, https://www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/__35.html)