202204.24
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Überblick über die Rechtsbehelfe im Strafrecht

Unterscheidung Rechtsbehelfe und Rechtsmittel

Als allgemeine Definition sind Rechtsbehelfe alle von der Rechtsordnung zugelassenen verfahrensrechtlichen Mittel, mit welchen eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung angefochten werden kann.

Der Begriff „Rechtsbehelfe“ ist damit der weitere Begriff.

Es lassen sich zunächst im Rahmen eines Strafprozesses zwei Untergruppen von Rechtsbehelfen unterscheiden.

Das sind zum einen die außerordentlichen Rechtsbehelfe. Man könnte diese Vereinfachung als „außerordentlich“ bezeichnen, da sie im Rahmen eines gewöhnlichen Verfahrensgang nicht vorgesehen sind. Sie kommen eigentlich nur in Betracht, wenn irgendetwas „falsch“ gelaufen ist.

Namentlich sind die außerordentlichen Rechtsbehelfe die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44 ff. StPO) und die Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 359 ff.StPO)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nur statthaft, wenn ein Grund glaubhaft gemacht wird, warum eine Frist verpasst wurde. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist nur in außergewöhnlichen Fällen (neue Zeugenaussagen oder DNA-Spuren, die widerlegen, dass der Verurteilte der tatsächliche Täter war) möglich, die die Besorgnis eines Fehlurteils begründen.

In die Gruppe der ordentlichen Rechtsbehelfe fallen alle Rechtsmittel. Diese zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie das Verfahren in eine höhere Instanz bringen (sog. Devolutivffekt). Nicht alle Rechtsmittel hemmen den Eintritt der Rechtskraft und verhindern damit weitere Vollstreckungsmaßnahmen (sog. Suspensivffekt).

Berufung

Die Berufung ist gemäß § 312 StPO nur gegen Urteile des Amtsgerichts möglich.
Es gibt deshalb keine Berufung gegen Urteile des Landgerichts. Bei größeren Strafsachen besteht daher nur die Möglichkeit der Revision (hierzu unten).

Die Berufung ist gem. § 314 StPO innerhalb von einer Woche nach Urteilsverkündung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts einzureichen. Hierbei ist besonders zu beachten, dass der Eingang der Berufung bei Gericht und nicht die Abgabe bei der Post entscheidend ist.
Die Berufung bedarf im Gegensatz zu der Revision keiner Begründung.
Die Berufung kann sowohl der Angeklagte selbst, als auch dessen Verteidiger einlegen. Selten legt in der Praxis die Staatsanwaltschaft zugunsten des Verurteilten Berufung ein. In den Fällen in denen die Staatsanwaltschaft Berufung einlegt, erfolgt dies gemeinhin zu Ungunsten des Verurteilten.

Es ist ganz wichtig zu beachten, dass für eine eingelegte Berufung das sogenannte Verböserungsverbot gem. § 331 StPO gilt. Dies bedeutet, dass für denjenigen, der die Berufung eingelegt hat, in der nächsten Instanz kein für ihn härteres Urteil ergehen darf, vorausgesetzt, nur er hat Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz kann nur auf schwerere Rechtsfolgen erkannt werden, wenn auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat.

In der Berufungsverhandlung findet eine umfassende Prüfung des Urteils der ersten Instanz statt. Die kleine Strafkammer des übergeordneten Landgerichts kann dazu alle Zeugen sowie etwaig andere Beweismittel im Rahmen einer neuen Hauptverhandlung heranziehen.

Revision

Gegen Berufungsurteile ist gem. § 333 StPO die Revision zulässig. Sie ist aber nicht nur zulässige gegen Berufungsurteile, sondern auch gegen erstinstanzliche Urteile des Landgerichts sowie als sog. Sprungrevision gem. § 335 StPO gegen Urteile des Amtsgerichts. Hiervon ist jedoch nur Gebrauch zu machen, wenn schwere Fehler des Amtsgerichts vorliegen, damit der „weitere Schuss“ der Berufungsverhandlung als weitere Möglichkeit der Rechtsfindung nicht nicht umsonst aus der Hand gegeben wird.

Die Revision muss gem. § 341 StPO binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils, bei dem Gericht dessen Urteil angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle, eingelegt werden.

Bei einer Revision findet aber im Gegensatz zu einer Berufung gemeinhin keine neue Hauptverhandlung statt. Nur in Ausnahmefällen setzt das Gericht eine Revisionsverhandlung an. Dies ist aber nicht mit einer Berufungshauptverhandlung zu verwechseln. Im Rahmen der Revision wird gem. § 337 StPO lediglich das ergangene Urteil auf Rechtsfehler untersucht.

Was erst mal einfach klingt, ist die Königsdisziplin der Strafverteidigung. Die Möglichkeiten der Rechtsfehler sind vielfältig. Es kommen formelle und in Ausnahmefällen auch materielle Mängel des Urteils in Betracht. Dabei ist beispielsweise die Unterscheidung zwischen relativen und absoluten Revisionsgründen gem. § 338 StPO wichtig. Entscheidend ist aber vor allem eine umfangreiche Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die äußerst umfangreich und aufgrund des Vorhandenseins verschiedener Senate innerhalb des Bundesgerichtshofs, widersprüchlich oder zumindest abweichend sein kann.

Dazu kommt, dass aufgrund der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Revisionsverfahren ein höchst formalisiertes Verfahren ist und es nicht nur entscheidend ist, dass ein Verstoß vorliegt sowie von der Verteidigung erkannt wird, sondern auch dass dieser in der richtigen Weise geltend gemacht wird. Aufgrund dieser Formvorschriften, ist es gem. § 345 Abs. 2 StPO auch erforderlich, dass ein Rechtsanwalt die Verantwortung für die Revision übernimmt und diese unterzeichnet. Es ist zwar aufgrund der Vorschrift auch möglich, dass die Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle erfolgt, dieses Vorgehen hat aber in der Praxis kaum eine Aussicht auf Erfolg.

Einspruch

Bei Verfahren vor den Amtsgerichten kommt gem. § 307 StPO auch eine schriftliche Entscheidung ohne Durchführung einer Hauptverhandlung durch Erlass eines sogenannten Strafbefehls in Betracht.

Gegen diesen Strafbefehl gibt es als Rechtsmittel die Möglichkeit des Einspruchs gem. § 410 StPO. Dieser muss gemäß der Vorschrift innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Strafbefehls schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden.

Der Einspruch führt dazu, dass gem. § 411 Abs. 1 S. 2 StPO der Strafbefehl nicht rechtskräftig wird und dass eine Hauptverhandlung durchgeführt wird.

Man muss aber beachten, dass das Gericht dem Angeklagten automatisch im Rahmen des Strafbefehlsverfahrens angerechnet hat, dass er geständig ist. Sollte der Angeklagte im Rahmen der Hauptverhandlung nach dem Einspruch doch verurteilt werden, ist das Urteil meist schwerer, als der ursprüngliche Strafbefehl, da das sogenannte Verböserungsverbot gem. § 411 Abs. 4 StPO nicht gilt.

Dazu gibt es die Möglichkeit in den Einspruch gegen den Strafbefehl lediglich auf die Höhe der Tagessätze zu beschränken. Hierbei ist es außerdem sinnvoll, dass darauf hingewirkt wird, dass in diesem Fall keine Hauptverhandlung durchgeführt wird, sondern eine Entscheidung ebenfalls im schriftlichen Verfahren erfolgt. Dadurch können den Angeklagten weitere Kosten für die Hauptverhandlung erspart werden.

Beschwerde

Die Beschwerde ist eine Art Universal-Rechtsmittel. So richtet sich vor der erst gegen Entscheidungen, welche nicht innerhalb der Hauptverhandlung getroffen werden. Dies ist aber auch in Ausnahmefällen gegen Entscheidungen im Rahmen der Hauptverhandlung möglich (vgl § 304 StPO).

Die Beschwerde unterliegt grundsätzlich keiner Frist. Erforderlich ist jedoch, dass der Beschwerdeführer tatsächlich beschwert ist, also eine rechtlich negative Entscheidung gegen ihn ergangen ist. „Klassiker“ des Beschwerdeverfahrens ist die Beschwerde gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse.

Ein Sonderfall der Beschwerde ist die sogenannte „sofortige“ Beschwerde. Diese muss gem. § 311 Abs. 2 StPO innerhalb einer Woche eingelegt werden. Das Gericht muss in der Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich darauf hinweisen, dass eine „sofortige“ und nicht nur eine „einfache“ Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen ist.

Sofortige Beschwerden spielen insbesondere eine Rolle bei Entscheidungen über die Bewährung.

Diese Übersicht ist nicht abschließend, es gibt zum Beispiel in manchen Verfahrensstadien noch Anträge auf gerichtliche Entscheidung (vgl. § 98 Abs. 2 StPO, 109 StVollzG etc.). Sie sollte jedoch ausreichend sein, um aufzuzeigen, dass das Rechtsmittelverfahren komplex ist und dass dringend mit einem erfahrenen und kompetenten Strafverteidiger Rücksprache gehalten und dieser mit der Einlegung des richtigen Rechtsmittels beauftragt werden sollte.

Gerne berät sie Rechtsanwalt Dr. Kaiser zu den umfangreichen Möglichkeiten und Erfolgsaussichten eines Rechtsmittelverfahrens.